Im Hongkonger Sender Phönix-TV wurde im März 2015 ein denkwürdiges Interview ausgestrahlt: Huang Jiefu, ein hoher Funktionär des Gesundheitswesens in China, spricht über Chinas Transplantations-System und nennt einen Hauptschuldigen für Organentnahmen an Gefangenen: Ex-Stasichef Zhou Yongkang.
Die Aussage ist jedoch mehr als eine Reaktion auf ein mutiges Interview eines ehemaligen Militärchirurgen zu sehen. Der renommierte 80-jährige Chirurg Jiang Yanyong äußerte sich nämlich vor Kurzem sehr kritisch zum Thema Organraub an lebenden Gefangenen- und das vor laufender Kamera. Als ehemaliger Mitarbeiter des chinesischen Militärs bestätigte er, was ausländische Ermittler seit Jahren vermuten: Dass in Chinas Militärkrankenhäusern ein illegales Geschäft mit Organraub an Gefangenen betrieben wird – und dass Chinas unfreiwillige Organspender meist noch leben, während sie zerstückelt werden .
So drastisch wollte es Huang Jiefu, Chinas leitender Transplantationsbeauftragter und früherer Vize-Gesundheitsminister, natürlich nicht ausdrücken, als er bei Phönix TV auf Sendung ging. Er stellt wohl eher die Person dar, die das kommunistische Regime zum Thema vorschickt, um mit Teilzugeständnissen und dem Versprechen wie „Reformen seien auf dem Weg“, die Aussagen internationaler Ermittler zu entkräften. So bestätigen der Enthüllungsjournalist Ethan Gutmann als auch die beiden kanadischen Menschenrechtsanwälte David Kilgour und David Matas bereits seit Nachforschungen im Jahre 2006, dass in China seit Beginn des 21. Jahrhunderts ein staatlich organisierter Massenmord an Falun Gong-Praktizierenden durchgeführt wird. Diese werden in Arbeitslagern als politische Häftlinge wie eine lebende Organbank gehalten, um ihre Organe bei Bedarf teuer zu verkaufen. Und das wohl schlimmste daran: diese Verbrechen seien staatlich organisiert.
Im Interview ging Huang sogar soweit und stellte sich selbst als Held im Kampf gegen illegale Organentnahmen dar. Sein Auftritt zielte darauf ab, den früheren Stasi-Chef Zhou Yongkang (2007-2012 im Amt) als Hauptschuldigen für Organraub an Gefangenen darzustellen, um sich selbst und andere dadurch „rein zu waschen”. China sei dabei, seine Abhängigkeit von Organen von Gefangenen zu reformieren, behauptete Huang. Ob solche Reformen tatsächlich im Gange sind, ist ein Thema, welches Experten jedoch sehr kritisch sehen.
Dass im Hongkonger Fernsehen zweimal in kürzester Zeit über „Organentnahmen“ berichtet wird, und das während des Pekinger Volkskongresses, dürfte kein Zufall sein. Staatspräsident Xi Jinping und seine Anhänger haben offenbar vor, den Kampf gegen Alt-Staatschef Jiang Zemin und dessen Gefolge zu beschleunigen. Der nun beschuldigte Zhou Yongkang, wegen Korruption bereits im Dezember 2013 inoffiziell verhaftet und seit Dezember 2014 in offizieller Untersuchungshaft, wartet jetzt auf sein Gerichtsverfahren. Die Sendungen scheinen die Bevölkerung darauf einzustimmen, dass nun das Thema Organraub aufs Tapet kommt.
Passenderweise wurde zum Ende des Volkskongresses bekanntgegeben, dass gegen Zhou und 28 andere korrupte Funktionäre ein öffentlicher Prozess stattfinden wird. Dass dies bald der Fall sein dürfte, deutete ein Artikel im Magazin Caijing an: Hier hieß es am 16. März, dass die Anti-Korruptionskampagne 2015 in ihre entscheidende, heiße Phase gehen werde und nochmals erweitert wird, da enorme Korruptheit in hohen Parteirängen entdeckt wurde. Von der „Schlacht gegen den großen Tiger“ war die Rede, die man dieses Jahr erfolgreich abschließen wolle.
Dieses Statement unterstreicht noch einmal die Entschlossenheit des derzeitigen Regierungschefs, die Abrechnung mit dem 88-jährigen Jiang Zemin zeitnah zu beginnen. Jiang startete im Jahr 1999 die Verfolgung der spirituellen Bewegung Falun Gong, deren Anhänger in Arbeitslagern und Gefängnissen zum Hauptopfer des Organraubs wurden- siehe Untersuchungen von Kilgour/Matas/Gutmann. Fast alle hochrangigen Funktionäre, die bisher in Xis Anti-Korruptionskampagne hinter Gitter kamen, hatten stark an der Verfolgung von Falun Gong mitgewirkt. Die Verfolgung dauert jedoch bis heute an und der Zusammenhang wurde von offizieller Seite nicht genannt.
Julia Wikström