Am 5. März 2002 wurde das Kabelnetz des Fernsehsenders von Changchun angezapft, und acht Kanäle sendeten Programme, die nicht der Meinung Jiang Zemins entsprechen und somit strengstens zensuriert werden. Die Sendungen, die unter anderem die vorgebliche Selbstverbrennung von Falun Gong Praktizierenden widerlegten, dauerten ohne Unterbrechung etwa 45 Minuten. Liu Chengjun, einer der Praktizierenden hinter dieser mutigen Tat mußte dafür am 26. Dezember 2003 - während sich die meisten Menschen noch an der weihnachtlichen Stimmung erfreuten - nach 21 Monaten Inhaftierung und Folter, mit seinem Leben bezahlen.
Chinesische Bürger können sich täglich nur mit den der Zensur unterliegenden Falschmeldungen über Falun Gong durch das staatliche Fernsehen CCTV informieren. Das kontrollierte Fernsehen stellt den Zusehern selbst gedrehte Reportagen als „objektive, wahre“ Nachrichten dar und verbreitet nur ausgewählte Mitteilungen des Auslandes. Satelliten Anlagen, wie hier im Westen üblich, sind verboten. Gemeinsam mit anderen Praktizierenden versuchte Herr Liu, vor diesem Hintergrund großflächige Aufklärungsarbeit durch seine Aktion zu leisten.
Herr Liu hielt sich nach Ausstrahlung der Sendungen zwei Wochen in einem Schuppen in den Bergen versteckt. Bei seiner Festnahme durch die Polizei wurde der Schuppen umzingelt, in Brand gesteckt und bewußt auf ihn geschossen. Herr Liu erlitt schwere Schuß- und Brandwunden.
Liu Chengjun kam ins Polizeikrankenhaus der Provinz Jilin und wurde ein Monat lang an beiden Seiten des Bettes mit ausgestreckten Armen gefesselt. Das hier gezeigte Foto von Liu von Zhongxin (Netz des chinesichen Nachrichtendienstes) wurde am 1. April 2002 veröffentlicht. Es ist deutlich zu sehen, dass Liu Chengjun vor Schwäche nicht mehr gerade sitzen konnte. Seine Handschellen wurden nur abgenommen, um in Zusammenarbeit mit einer chinesischen TV-Gruppe Propaganda-Filmmaterial zu drehen. Liu Chengjun weigerte sich zu sprechen.
Die bei ihm angewandten Foltermethoden reichten vom Festbinden auf einer Folterbank bis zu brutalen Schlägen und Elektroschocks. Beispielsweise wurde Herr Liu während einer Gerichtsverhandlung im September 2002 von einer Gruppe Polizisten vor Richter und Auditorium geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert, um eine Aussage zu erzwingen. Nach dieser Gerichtsverhandlung, bei der er zu 19 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, war Liu Chengjun wegen den Folterungen außerstande zu gehen.
Die Weltorganisation zur Untersuchung der Verfolgung von Falun Gong (WOIPFG) bestätigte im Oktober 2003, dass Herr Liu gemeinsam mit etwa 100 Falun Gong Praktizierenden in Hungerstreik traten, um gegen die Misshandlungen und brutale Verfolgung im Jilin Gefängnis zu protestieren. Liu Chengjun befand sich zu dieser Zeit bereits in Lebensgefahr, worauf auch Amnesty International in einer „Urgent Action“ aufmerksam machte. Oberkörper und Gesicht waren verstümmelt und er war kaum in der Lage zu sprechen. Der Praktizierende wurde für kurze Zeit im Zentralkrankenhaus der Stadt Jilin behandelt und dann unter der Anweisung des Büros 610 ins Polizeikrankenhaus der Provinz Jilin verlegt.
Dort wurden bei ihm Harnvergiftung, Nierenversagen und Herzrhythmusstörungen diagnostiziert. Der Arzt stellte eine Bescheinigung über seine kritische Lage aus, sodass sich das Jilin Gefängnis gezwungen sah, eine Freilassung gegen Bürgschaft vorzubereiten, doch das Büro 610 entschied gegen eine Entlassung. Lius Familie wurde von der Polizei überwacht, um sie daran zu hindern, der Außenwelt über diese Vorfälle zu berichten. Als er im Koma lag durften ihn nur seine Eltern sehen. Herr Liu starb zwei Tage nach Weihnachten am 26.12.2003. Aus Augen und Ohren trat Blut. Ohne Autopsie wurde sein Leichnam noch am selben Tag von der Polizei verbrannt.