Es scheint sich langsam eine Trendwende abzuzeichnen. Nach Amerika, Kanada und Australien erheben immer mehr Länder in Europa ihre Stimme gegen die weiterhin steigende Anzahl an Menschenrechtsverletzungen in China. Immer öfter wird dabei auf die neuerliche Verfolgung eines Stückes chinesischer Kultur, Falun Gong, hingewiesen. Obwohl dieses Thema gegenüber dem Ausland verheimlicht wird, besitzt es China-intern allerhöchste Priorität.
Der deutsche Bundespräsident Rau ist nicht der einzige europäische Politiker, der das Tabu brach, Menschenrechte in China nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit zur Sprache zu bringen. Die Initiativen der Regierungen Italiens und Schwedens in dieser Angelegenheit sind bekannt. Auch im Menschenrechtsbericht Englands vom September 2003 wurde die "Besorgnis" der britischen Regierung "wegen einer großen Palette von Menschenrechtsangelegenheiten einschließlich Glaubensfreiheit (und) die Behandlung von Falun Gong Praktizierenden" ausgesprochen. Als in Finnland im Zuge des Besuches von Luo Gan ("rechte Hand" Jiang Zemins) dessen Verbrechen an Falun Gong veröffentlicht und eine Klage gegen ihn erhoben wurde, distanzierte sich die finnische Regierung vom hochrangigen Besuch aus China und prangerte die Menschenrechtsverletzungen, allen voran an Falun Gong, an.
Deutschland ist also strenggenommen nur ein weiteres europäisches Land. Rau's Vorstoß wäre ohne Rückendeckung nicht möglich gewesen ("Ich weiß, dass Kohl und Schröder ... und die Elite aller Parteien in Deutschland ... genauso denken wie ich"). Und doch hat seine Aussage mehr Bedeutung, da er die Menschenrechtsagenden Chinas im Gastgeberland direkt vor der chinesischen Elite öffentlich aussprach. Dies gibt einen Hinweis darauf, wie dünn das "Eis" im Hauptland des deutschsprachigen Raums - Deutschland, Schweiz, Österreich - geworden ist. Jedenfalls wird es dadurch auch in Österreich, leichter dieses Thema öffentlich anzusprechen.